Zahlungsfähigkeit deutscher Unternehmen

8,8 Prozent der Firmen in Deutschland haben ein hohes Zahlungsausfallrisiko

8,8 Prozent der Firmen in Deutschland haben ein hohes Zahlungsausfallrisiko
 
  • 286.184 Firmen (8,8 Prozent) mit überdurchschnittlich hohem Zahlungsausfallrisiko (Bonitätsindex 4,5 bis 6,0) – Stand: 16. Februar 2015
  • Bundesdurchschnitt – statistische Ausfallquote (bereits ausgefallen oder binnen der nächsten 12 Monate): 4,9 Prozent; Bonitätsmittelwert: 2,7; Median: 2,4; 
  • Schlusslicht Sachsen-Anhalt – Ausfallquote: 7,3 Prozent; Bonitätsmittelwert: 2,9; Median: 2,4
  • Primus Bayern – Ausfallquote: 3,7 Prozent; Bonitätsindex: 2,2; Median: 2,2
  • Logistik als die am stärksten bedrohte Branche – Ausfallquote: 7,2 Prozent; Bonitätsindex: 2,9
  • Beste Branche: verarbeitendes Gewerbe – Ausfallquote: 3,2 Prozent; Bonitätsindex: 2,5
  • Am stärksten bedrohte Rechtsform UG – Ausfallquote: 7,6 Prozent; Bonitätsindex: 3,5
  • Beste Rechtform nach Bonitätsindex: AG (2,4)
  • Rechtform mit niedrigster Ausfallquote: GmbH & Co. KG (1,6 Prozent)
  • Schlechteste Werte bei Umsatzklasse unter 100.000 Euro – Ausfallquote: 4,7 Prozent; Bonitätsindex: 2,7
 
Überblick Unternehmensbonität: Durchschnittliche Bonitäts-Schulnote von 2,7 / statistische Ausfallquote von 4,9 Prozent
 
Deutschland erfreut sich derzeit eines soliden Wirtschaftswachstums. Dennoch: Wie finanzstark und zahlungsfähig, wie robust und widerstandsfähig sind hiesige Firmen tatsächlich aufgestellt? 
Um diese Fragen zu beantworten, hat die Wirtschaftsauskunftei Bürgel 3.242.801 Unternehmen in Deutschland hinsichtlich ihrer Bonität (Zahlungsfähigkeit) untersucht.
 
Die Ausgangslage: Die wirtschaftlichen Voraussetzungen in Deutschland
 
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für Unternehmen könnten aktuell kaum besser sein – einerseits: Das Bruttoinlandsprodukt zog im Schlussquartal 2014 gegenüber den vorausgehenden drei Monaten um 0,7 Prozent an – angetrieben von der Konsumlaune der Verbraucher in Deutschland. Zudem hat Deutschland 2014 mit einem Rekordwert den größten Exportüberschuss aller Staaten erwirtschaftet. 
 
Andererseits sind viele Unternehmen aufgrund von schlecht oder nicht zahlenden Vertragspartnern derzeit von Zahlungsausfällen bedroht: 2014 mussten 24.549 Firmen in Deutschland eine Insolvenz anmelden.
 
Zwar entspricht diese Insolvenzzahl dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 1999. Aber die Folgen von Insolvenzen wirken sich volkswirtschaftlich stets dramatisch aus: „Durch Forderungsausfälle entstehen Schäden in Milliardenhöhe. Mitarbeiter verlieren ihre Arbeit. Und durch Dominoeffekte können auch weitere Unternehmen in finanzielle Schieflage geraten“, erläutert Dr. Norbert Sellin, Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Bürgel.
 
Bonitätsindex als zentraler Indikator der Analyse
 
Der zentrale Indikator der Analyse „Zahlungsfähigkeit deutscher Unternehmen“ ist der Bürgel Bonitätsindex. Dieser Frühwarnindikator dient zur Beurteilung der Bonität und der Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen. 
Um das Ausfallrisiko von Firmen zu bewerten, prognostiziert der von Bürgel statistisch ermittelte Bonitätsindex die Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen binnen der nächsten zwölf Monate. Der Bonitätsindex basiert auf einer Vielzahl von Informationen, die Aufschluss über die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens geben. Dazu gewichtet die Wirtschaftsauskunftei u.a. Angaben zu den Bilanzen, Mitarbeiter- und Umsatzzahlen sowie zur Unternehmenstätigkeit. Außerdem fließen Informationen zur Rechtsform des Unternehmens und vorhandene gerichtliche Negativmerkmale ein. Daraus berechnet Bürgel eine Gesamtnote, die die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit wiedergibt. Eine 1,0 entspricht hierbei einer sehr guten Zahlungsfähigkeit bzw. einer sehr niedrigen Krisenanfälligkeit; eine 6,0 steht für den (sehr wahrscheinlichen) Zahlungsausfall und die damit verbundene Einstellung der Geschäftstätigkeit.  Somit dokumentiert dieses Schulnotensystem die Bonität von Unternehmen und macht deren Zahlungsfähigkeit vergleichbar. 
 
8,8 Prozent der Unternehmen gefährdet
 
Laut der aktuellen Auswertung „Zahlungsfähigkeit deutscher Unternehmen“ bergen 286.184 Firmen in Deutschland derzeit ein sehr hohes Zahlungsausfallrisiko (Stichtag: 16. Februar 2015) oder sind bereits mit ihren Zahlungen ausgefallen.  Anders ausgedrückt sind 8,8 Prozent der insgesamt 3.242.801 von Bürgel für die Studie auf Zahlungsfähigkeit untersuchten Unternehmen gefährdet, denn: Die betroffenen Unternehmen verfügen über einen Bonitätsindex der Schulnote 4,5 bis 6,0. Das bedeutet, dass diese Firmen – von der Kapitalgesellschaft bis hin zum Freiberufler – ihren Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nachkommen können. Allerdings bedeutet der statistische Wert explizit nicht, dass die betroffenen Unternehmen alle Insolvenz anmelden müssen. Er sagt lediglich aus, dass die Betroffenen über eine ausgeprägt schwache Bonität verfügen und damit besonders insolvenzgefährdet sind. 
Der Großteil (48,2 Prozent) der Unternehmen liegt allerdings in der Risikoklasse 2,0 bis 2,4 und weist in Deutschland aktuell ein unterdurchschnittliches Ausfallrisiko aus. 21 Prozent der Firmen in Deutschland bergen ein durchschnittliches Ausfallrisiko. 
 
 
Der deutschlandweite, statistische Durchschnitt des Bonitätsindex liegt bei 2,7 – also bei einer Zahlungsfähigkeit, die der Schulnote gut bis befriedigend und einer durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit entspricht. Der Median, also der  Mittelwert für Verteilungen innerhalb der Statistik, liegt bundesweit bei einem Wert von 2,4. Die Ausfallquote der Unternehmen, die binnen zwölf Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszufallen drohen oder bereits zahlungsunfähig sind (Bonitätsindex 6,0) liegt bei 4,9 Prozent. Mathematisch entspricht die Ausfallquote dem Anteil der Summe der ausgefallenen Unternehmen (Bonitätsindex 6,0) an der Grundgesamtheit. Ein Unternehmen gilt als ausgefallen, wenn davon ausgegangen werden muss, dass es seinen Zahlungsverpflichtungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht mehr nachkommen kann.
 
Bundesländer: Finanzschwächste Unternehmen in Sachsen-Anhalt 
 
Unternehmen, die bereits mit ihren Zahlungen ausgefallen sind oder denen dieses Schicksal statistisch in den nächsten zwölf Monaten droht (Bonitätsindex 6,0), sind ungleichmäßig über die 16 Bundesländer verteilt. Die höchste Ausfallquote (Bonitätsindex 6,0) von 7,3 Prozent weist hier Sachsen-Anhalt auf. Aber auch in Sachsen (6,4 Prozent), Berlin (6,1 Prozent), Nordrhein-Westfalen (5,7 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (5,5 Prozent), Thüringen (5,4 Prozent) und Brandenburg (5,2 Prozent) sind mehr bedrohte Unternehmen ansässig als im Bundesdurchschnitt (4,9 Prozent). Bestwerte liefern hingegen Bayern mit einer Ausfallquote von 3,7 Prozent, gefolgt von Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg (jeweils 4,3 Prozent). 


 
 
Der durchschnittliche Bonitätsindex nimmt in den Bundesländern Werte zwischen 2,6 und 2,9 an. Mit 2,9 am schlechtesten schneiden hier Berlin (Median: 2,6) und Sachsen-Anhalt (Median: 2,4) ab. Diese Werte sind Indikatoren dafür, dass die finanzschwächeren Unternehmen in diesen beiden Bundesländern angesiedelt sind und die Firmen über eine schlechtere  Zahlungsfähigkeit verfügen. Allerdings ist auch die Bonität der Firmen in Sachsen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und im Saarland unterdurchschnittlich.
 
 
Beste Werte hinsichtlich der Firmenbonität liefern Unternehmen in Bayern und Baden-Württemberg mit einem Wert von 2,6. Hier liegen Median (Bayern: 2,2; Baden-Württemberg: 2,3) und Ausfallquote (Bayern: 3,7 Prozent; Baden-Württemberg: 4,3 Prozent) im niedrigen Bereich, so dass dies vor allem in Bayern für finanzstarke und robuste Unternehmen spricht.
 
 
Branchen: Logistiker und Baugewerbe haben das Nachsehen / gute Aussichten für Energieunternehmen
 
Je nach Branchenzugehörigkeit der untersuchten Unternehmen zeigen sich deutliche Unterschiede bei der Zahlungsfähigkeit. Am schlechtesten stehen bundesweit – auch hinsichtlich des Ausfallrisikos – Logistikunternehmen da. Sie bringen es auf einen durchschnittlichen Bonitätsmittelwert von 2,9 und eine statistische Ausfallquote von 7,2 Prozent. Das Baugewerbe liefert einen Durchschnittsbonitätsindex von 2,7 und eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 5,7 Prozent. In den Dienstleistungen liegt die durchschnittliche Bonität mit 2,8 ähnlich hoch – 5,6 Prozent der Unternehmen aus diesem Sektor drohen binnen der nächsten zwölf Monate auszufallen. Am besten kann sich hingegen das verarbeitende Gewerbe mit einem Bonitätsindex von 2,5 behaupten; hier rangiert die statistische Ausfallquote bei 3,2 Prozent. Die niedrigste statistische Ausfallquote mit 1,5 Prozent bietet der Energiesektor auf.
 
 
 
Rechtsformen: Schlusslicht UG
 
Die Unternehmergesellschaft (UG) weist als Rechtsform mit der durchschnittlichen Schulnote von 3,5 den schlechtesten Bonitätsindex auf – gefolgt von Gewerbebetrieben (2,8) und der Rechtsform GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) mit einem Wert von 2,7. Am besten stehen hingegen die Aktiengesellschaften mit einem durchschnittlichen Bonitätsindex von 2,4 da. Gute Indizes melden auch die GmbHs (2,5) und die Rechtsform GmbH & Co. KG sowie die freien Berufe (beide 2,6).
 
Die Ausfallquote nach Rechtsform liegt bei den Unternehmergesellschaften (UG) mit einer Quote von 7,6 Prozent und bei den Gewerbebetrieben (7,1 Prozent) am höchsten. Besser ist der Wert bei den GmbH & Co. KGs mit einer Ausfallquote von 1,6 Prozent. Aber auch die AGs (2,3 Prozent), die GmbHs (2,8 Prozent) und die GbRs (2,9 Prozent) punkten. 
 
 
 
Umsatzklassen: Je geringer der Umsatz, desto gefährdeter
 
Unternehmen, die weniger als 100.000 Euro pro Jahr umsetzen, weisen im Durchschnitt den schlechtesten Bonitätsindex von 2,7 auf – aber auch die höchste Ausfallquote von 4,7 Prozent. Besser schneiden hingegen Unternehmen mit einem Umsatz von fünf bis zehn Millionen Euro ab; hier rangiert der statistische Bonitätsnotenwert bei 2,0 und die Ausfallquote bei lediglich 0,4 Prozent. Bei Firmen mit einem Umsatz von zehn bis 50 Millionen Euro Umsatz liegt der Bonitätsindex ebenfalls bei 2,0. Die Ausfallquote liegt lediglich bei nur noch 0,3 Prozent.  
 
 
Folgen schlechter Zahlungsfähigkeit
 
Es gibt in der Praxis typische Verhaltensmuster, die frühzeitig auf eine prekäre Situation von Unternehmen hinweisen: etwa wenn eine schlechtere Zahlungsmoral, ein verändertes Bestellverhalten oder eine häufige Änderung in der Geschäftsführung, Bankverbindung oder Firmierung auftreten. Indikatoren sind aber auch, wenn Zahlungen durch ungerechtfertigte Mängelrügen hinausgezögert, mündliche Zusagen gebrochen oder häufig Rechnungskopien angefordert werden. 
 
Insolvenzen und Zahlungsausfälle führen nicht nur zu volkswirtschaftlichen Schäden in Milliardenhöhe. Forderungsausfälle von Kunden können auch die Liquidität des eigenen Unternehmens negativ beeinflussen.  Schlittern Vertragspartner in die Zahlungsunfähigkeit, stellt das gerade mittelständische und kleine Unternehmen vor erhebliche finanzielle Probleme. Insbesondere die betroffenen KMU verfügen oft nicht über ausreichendes Eigenkapital, um das zögerliche Zahlungsverhalten ihrer Kunden zu kompensieren, denn: Erstens bedeuten Zahlungsverzögerungen oder -ausfälle bei Partnern zusätzliche Mehrarbeit und entsprechende Kosten für den eigenen Betrieb. Zweitens ist es in vielen Branchen üblich, dass ein Unternehmen mit seiner Arbeitsleistung und den Materialkosten in Vorleistung tritt. Die unter Zahlungsverzögerungen und -ausfällen leidenden Firmen fungieren damit als Kreditgeber. Sie tragen durch die entstandenen Kosten auch das finanzielle Risiko. Und dies führt für den Betrieb, vor allem wenn Forderungsausfälle besonders hoch sind, zu eigenen finanziellen Engpässen, im schlimmsten Fall zur eigenen Insolvenz.
 
Ursachen von Zahlungsverzögerungen und -ausfällen liegen oft im Management
 
Die Ursachen einer schlechteren Bonität sind vielfältig. Oft sind mehrere Auslöser Ursache einer Zahlungsunfähigkeit. Dazu zählen insbesondere folgende Aspekte:
 
  • Mangelnde Kapitalausstattung und Finanzierungsschwierigkeiten
  • Konjunktur und Strukturwandel
  • Lohn- oder Verwaltungskosten
  • Staatliche Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik
  • Persönlicher/familiärer Bereich des Unternehmers und Teilhaberschwierigkeiten
  • Falsche Markteinschätzung und in der Folge mangelnde Wettbewerbsfähigkeit
  • Fehlinvestitionen oder unangemessene Kapazitätsausweitung
  • Fehlerhafte Struktur/Organisation des Unternehmens sowie Standortprobleme
  • Schlechte Zahlungsmoral der Kunden
  • Folgeinsolvenzen bzw. Dominoinsolvenzen treffen gleich mehrere Unternehmen
  • Gründungs- oder Übernahmeschwierigkeiten
  • Mängel bei Kalkulation oder Buchführung
  • Schwierigkeiten mit Lieferanten
  • Mängel im Produktbereich (Qualität, Preis, Produkteigenschaften)
  • Veraltete Technologien, nicht gelungene technische Umstellung 
  • Führungsprobleme
 
Herausgeber: Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Gasstraße 18, 22761 Hamburg, presse@buergel.de, www.buergel.de

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