Zahlungsmoral deutscher Unternehmen

Jedes sechste Unternehmen zahlt Rechnungen verspätet/ Berliner Unternehmen zahlen 32 Tage zu spät

Jedes sechste Unternehmen zahlt Rechnungen verspätet / Berliner Unternehmen zahlen 32 Tage zu spät 

Die Unternehmen in Deutschland machen derzeit gute Erfahrungen mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden. 16,5 Prozent der Unternehmen beglichen ihre Rechnungen im Mai 2015 verspätet oder gar nicht. Im Juni 2014 lag die Quote der Nicht- oder Spätzahler noch bei 17,5 Prozent (Rückgang um 6,1 Prozent). Von Juni 2014 bis Mai 2015 erreichte die Zahlungsmoral der Firmen im Februar und März 2015 den besten Wert: Lediglich 16,0 Prozent der Firmen kamen den Zahlungsverpflichtungen verspätet oder gar nicht nach – der Rest überwies innerhalb des Zahlungsziels. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Zahlungsmoral deutscher Unternehmen“ der Wirtschaftsauskunftei Bürgel. Die Studie analysiert mittlerweile zum vierten Mal das Zahlungsverhalten von knapp 470.000 Unternehmen in Deutschland innerhalb der vergangenen zwölf Monate.

„Den Unternehmen in Deutschland geht es zurzeit recht gut. Dies spiegelt sich auch in der positiven Zahlungsmoral der Unternehmen wider. Die Firmen profitieren weiterhin von der guten Binnenkonjunktur, die vor allem durch den privaten Konsum und vorteilhaften Finanzierungsbedingungen gestützt wird. Trotzdem kommt es bei jedem sechsten Unternehmen zu Zahlungsverzögerungen. Einfach ausgedrückt: Ein Unternehmen, das 100 Rechnungen schreibt, muss davon ausgehen, dass im Durchschnitt 16,5 Rechnungen nicht fristgerecht bezahlt werden. Eine durch den Kunden oder Auftraggeber nicht bezahlte Rechnung zieht einen erheblichen Verwaltungsaufwand, Ärger und zusätzliche Kosten nach sich“, sagt Bürgel Geschäftsführer Dr. Norbert Sellin zu den aktuellen Zahlen. „Das größte Risiko für die Unternehmen besteht weiterhin in der Entwicklung des Euroraums. Hierbei spielen vor allem die Unsicherheiten in Griechenland eine Rolle. Es ist durchaus denkbar, dass sich die Zahlungsmoral der Unternehmen im Jahresverlauf verschlechtert“, so Dr. Sellin. Leichte Ansätze eines nachlässigeren Zahlungsverhaltens der Firmen sind schon in den letzten Monaten zu erkennen gewesen. „So verschlechterte sich die Zahlungsbereitschaft der Unternehmen von April auf Mai um 2,9 Prozent."

 

Bundeslandvergleich: Anteil von Firmen mit Überfälligkeiten im Saarland am höchsten

In Deutschland zahlen 16,5 Prozent der Unternehmen ihre Rechnungen nicht oder verspätet. Entsprechend begleichen 83,5 Prozent der Firmen die Rechnungen fristgerecht, d.h. innerhalb des Zahlungsziels. Diese Quote variiert jedoch je nach Bundesland. Die meisten Firmen mit überfälligen Forderungen gibt es im Saarland. Hier lag die Quote der Unternehmen, die ihre Rechnungen verspätet oder gar nicht bezahlen, im Mai 2015 bei 22,1 Prozent. Ebenfalls hohe Werte lieferten Berlin (20,5 Prozent Firmen mit Überfälligkeiten), Bremen (19,6 Prozent), Nordrhein-Westfalen (18,9 Prozent) und Niedersachsen (18,2 Prozent). Die beste Zahlungsmoral haben Unternehmen in Sachsen. Hier liegt die Spät- bzw. Nichtzahlerquote bei 12,9 Prozent. Auch in Thüringen (13,4 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (14,6 Prozent) und Schleswig-Holstein (15,0 Prozent) liegt die Zahlungsmoral der Firmen über dem Bundesdurchschnitt. 

Hinsichtlich der Zahlungsmoral verzeichnet Sachsen im 12-Monats- und Ländervergleich im Februar und März 2015 den Bestwert von geringen 12,4 Prozent säumigen Firmen. Auf die schlechteste Quote von 22,6 Prozent kommt indes das Saarland im November 2014. 

Durchschnittliche Überfälligkeitstage: Berliner Unternehmen zahlen 32,4 Tage zu spät
 

Die Zahlungsverspätungen in Deutschland liegen laut Bürgel bei durchschnittlich 22 Tagen im Mai 2015. Bei einem Zahlungsziel von 26 Tagen warten Unternehmen bei Nicht-oder Spätzahlern im Durchschnitt folglich 48 Tage auf ihr Geld. „Für die Unternehmen bedeutet dieses Verhalten, dass sie knapp doppelt so lange auf ihr Geld warten müssen als ursprünglich einkalkuliert. Damit werden sie unfreiwillig zur Bank ihrer Kunden“, so Dr. Sellin. Betriebe und Unternehmen jeder Größenordnung sind darauf angewiesen, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen umgehend bezahlt werden. Eine durch den Kunden oder Auftraggeber nicht bezahlte Rechnung zieht einen erheblichen Verwaltungsaufwand, Ärger und zusätzliche Kosten nach sich. Zudem droht im schlimmsten Fall ein kompletter Ausfall der Forderung.

 

Den deutlichsten Zahlungsverzug haben Unternehmen in Berlin. In der Hauptstadt zahlen die Firmen im Schnitt mit 32,4 Tagen Verspätung. Viele Überfälligkeitstage leisten sich zudem die Unternehmen in Brandenburg (25,8 Tage), Hamburg (23,7 Tage) und Bremen (23,6 Tage). Schneller kommen die Firmen in Bayern an ihr Geld. Unternehmen, die zu spät zahlen, tun dies im Schnitt 18,7 Tage zu spät. In Hessen waren es 19,7 Tage und in Schleswig-Holstein 19,8 Tage.  

 

Prozentuale Veränderung: Situation hat sich in drei Bundesländern verschlechtert
 

Laut Bürgel hat sich der Anteil der Firmen, die ihre Rechnungen nicht oder verspätet bezahlen im 12-monatigen Untersuchungszeitraum um 6,1 Prozent verringert. Die verbesserte Zahlungsmoral der Unternehmen zeigt sich in 13 der 16 Bundesländer.

Lediglich in Bremen, Baden-Württemberg und im Saarland verschlechterte sich die Situation. So zahlten in Bremen 1,5 Prozent mehr Firmen die Rechnung nicht fristgerecht oder gar nicht. Im Saarland waren es 0,9 Prozent und in Baden-Württemberg 0,7 Prozent der Unternehmen. 

Deutlich verbessert hat sich die Zahlungsmoral der Unternehmen in Bayern. Im Vergleich zum Juni 2014 sank die Anzahl der Firmen mit überfälligen Forderungen um 14,9 Prozent. Auch in Mecklenburg-Vorpommern (minus 9,9 Prozent Firmen mit überfälligen Forderungen), Brandenburg (minus 7,5 Prozent) und Rheinland-Pfalz (minus 7,2 Prozent) ging die Anzahl der verspätet und nicht zahlenden Unternehmen überdurchschnittlich zurück. 

Inkassoverfahren: Jedes 40. Berliner Unternehmen mit einem Inkassoverfahren

Gegen 1,2 Prozent der betrachteten Unternehmen läuft mindestens ein Inkassoverfahren. Die höchste Inkassoquote gibt es bei Berliner Firmen. Hier ist knapp jedes 40. Unternehmen betroffen, denn 2,6 Prozent der Unternehmen haben mindestens ein Inkassomerkmal. Besser sieht es in Bayern aus. Hier haben 0,9 Prozent der Firmen ein Inkassomerkmal. „Bei diesen Firmen muss die Zahlungsfähigkeit angezweifelt werden“, sagt Bürgel Geschäftsführer Dr. Sellin.

Rechtsformen: 35,1 Prozent der AGs zahlen ihre Rechnung nicht fristgerecht

In Bezug auf die Rechtsformen zeigt sich erneut, dass Kapitalgesellschaften die schlechteste Zahlungsmoral aufweisen. Über ein Drittel aller AGs und mehr als 27 Preozent aller GmbHs zahlen regelmäßig zu spät. Obwohl nur 42 Prozent der betrachteten Unternehmen zur Rechtsform GmbH zählen, entfallen 69 Prozent aller überfälligen Rechnungen auf diese Unternehmen. Bei AGs ist das Verhältnis noch deutlicher: 0,6 Prozent aller betrachteten Unternehmen gehören dieser Rechtsform an, es entfallen jedoch 1,4 Prozent aller überfälligen Rechnungen auf diese Rechtsform. „Große Unternehmen nutzen ihre Macht am Markt aus, zeigen ein liquiditätsschonendes Verhalten und zahlen ihre Rechnungen bewusst verspätet. Es ist keine Frage der Zahlungsfähigkeit, sondern rein eine Frage der Zahlungswilligkeit“, so Dr. Norbert Sellin. „Da Unternehmen dieser Rechtsform offensichtlich das kaufmännische Mahnverfahren als verlängertes Zahlungsziel nutzen, empfiehlt es sich, für diese Kunden ein spezielles Mahnverfahren aufzusetzen. Dieses Mahnverfahren sollte sehr konsequent und vor allem kurz gehalten sein. Beispielsweise der Verzicht auf eine dritte Mahnstufe, generell kürzere Zahlungsziele oder verkürzte Mahnintervalle“, ergänzt der Bürgel Geschäftsführer. 

 

Der dritte Sonderfall ist die Rechtsform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Im Mai 2015 zahlten 21,2 Prozent der UGs die Rechnung nicht oder verspätet. Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen den UGs und den Kapitalgesellschaften: Während diese Rechtsformen zu großen Teilen Rechnungen bewusst verspätet begleichen, gilt die UG als Problemrechtsform. In vielen Fällen kann die Rechnung nicht bezahlt werden. Dies belegt auch, dass gegen 5,7 Prozent der UGs bereits ein Inkassoverfahren läuft (Bundesdurchschnitt 1,2 Prozent). Bessere Zahlungsmoral weisen vor allem die eingetragenen Vereine (3,1 Prozent Spät-oder Nichtzahler), die freien Berufe (3,9 Prozent) und die landwirtschaftlichen Betriebe (4,1 Prozent) auf. 

Branchen: Öffentlicher Sektor zahlt im Schnitt 35 Tage zu spät 

Unternehmen, die Geschäfte mit dem öffentlichen Sektor machen, müssen am längsten auf ihr Geld warten. Die durchschnittlichen Überfälligkeitstage betragen in dieser Branche 34,9 Tage. Die Quote der Spät- oder Nichtzahler liegt in dem öffentlichen Sektor bei 7,4 Prozent. „Auch wenn der öffentliche Sektor sehr spät bezahlt – es wird bezahlt. Inkassofälle sind eher eine Ausnahme“, betont Dr. Sellin. Erhöhte Überfälligkeitstage weisen auch das Baugewerbe (26,7 Tage, Spät- bzw. Nichtzahlerquote: 18,4 Prozent), die Logistik (19,5 Überfälligkeitstage; 21,8 Prozent) und die Energieversorgung (18,3; 17,5) auf. Den höchsten Anteil an Zahlungsverzögerern gibt es bei den Wasserver- und -entsorgern. 24,7 Prozent der Unternehmen zahlen nicht fristgerecht.

Ursachen schlechter Zahlungsmoral
 

Da sich ein schleppendes Kundenzahlungsverhalten belastend auf die Liquiditätslage eines Unternehmens auswirken kann und Liquiditätsengpässe zu den häufigsten Insolvenzursachen zählen, ist eine gute Zahlungsmoral der Kunden von hoher Bedeutung. Warum dennoch viele Unternehmen Rechnungen verspätet oder nicht zahlen, hat die unterschiedlichsten Ursachen. 

Seitens der Unternehmen, die ihre Rechnungen verspätet bezahlen werden, am häufigsten die folgenden Ursachen genannt:

  • Momentaner Liquiditätsengpass
  • Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden
  • Mangelnde Professionalisierung bei der Rechnungsbearbeitung
  • Vorsätzliches Nichtbezahlen
  • Aktuelle Konjunktur
  • Ausnutzen von Lieferantenkrediten
  • Insolvenz
  • Technische Gründe (z.B. neue IT-Systeme)

Studiendesign: 
Über den DDMonitor

Die B2B-Wirtschaftsdatenbank DDMonitor ist ein Gemeinschaftsprodukt von Bürgel Wirtschaftsinformationen und EOS. Die Datenbasis umfasst einen Großteil der deutschlandweit fast 4 Millionen Firmen und Gewerbetreibenden. Auf Grundlage des DDMonitor analysieren Bürgel und EOS regelmäßig die Bonität und das Zahlungsverhalten von mehr als 470.000 Unternehmen.

Herausgeber: Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Gasstraße 18, 22761 Hamburg, presse@buergel.de, www.buergel.de

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