Zahlungsmoral von Unternehmen erreicht Spitzenwert / Firmen im Saarland und in Berlin mit schlechtester Zahlungsmoral bundesweit

Das Zahlungsverhalten der Unternehmen in Deutschland hat sich die letzten 12 Monate weiter verbessert.

1. Überblick: 14,2 Prozent der Unternehmen zahlen Rechnungen verspätet oder gar nicht

Das Zahlungsverhalten von Unternehmen in Deutschland hat sich in den letzten 12 Monaten weiter verbessert. Im August 2016 beglichen nur noch 14,2 Prozent der Firmen Rechnungen verspätet oder gar nicht. Zum Vergleich: Im Juni 2013 lag der Wert der Spät- oder Nichtzahler noch bei 20,2 Prozent.

Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Zahlungsmoral deutscher Unternehmen“ der Wirtschaftsauskunftei Bürgel und der EOS Deutschland B2B. Die Auswertung analysiert das Zahlungsverhalten von knapp 470.000 Unternehmen in Deutschland.

Der Wert im August 2016 ist die zweitbeste Zahlungsmoral der Unternehmen seit Erfassung der Zahlen im Januar 2013. Nur im Dezember 2015 war das Bezahlverhalten der Firmen noch besser (Spät- oder Nichtzahlerquote von 14,1 Prozent).

„Das Zahlungsverhalten der Unternehmen ist derzeit exzellent und hat sich auf einem hohen Niveau noch einmal verbessert. Die gute Binnenkonjunktur, die vor allem durch den privaten Konsum und vorteilhafte Finanzierungsbedingungen gestützt wird, lässt die Zahlungsmoral der Unternehmen weiter steigen“, kommentiert Stephan Spieckermann, Geschäftsführer von EOS Deutschland B2B, die aktuellen Studienergebnisse. „Im Umfeld der Niedrigzinsen zahlen die Unternehmen immer schneller. Dies gilt gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, die so versuchen, von Skonti zu profitieren“, ergänzt Bürgel Geschäftsführer Klaus-Jürgen Baum.

Eine Ausnahme von dieser Entwicklung bilden Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Aktiengesellschaften und GmbHs eine signifikant schlechtere Zahlungsmoral haben als Unternehmen anderer Rechtsformen.  So liegt die Quote von Unternehmen, die ihre Rechnungen zu spät oder nicht bezahlen, bei den AGs bei 27,4 Prozent und bei den GmbHs bei 25,2 Prozent.

„Große Unternehmen haben in den meisten Fällen keine Probleme, die Rechnungen zu bezahlen. Sie nutzen jedoch ihre Marktmacht aus und zeigen ein für sie vorteilhaftes liquiditätsschonendes Verhalten zu Lasten ihrer Kunden. Es ist häufig keine Frage der Zahlungsfähigkeit, sondern eine Frage der Zahlungswilligkeit“, so Spieckermann.

2. Bundesweite Analyse der letzten 12 Monate: Im August 2016 zweitbester Wert bei der Zahlungsmoral

Die Zahlungsmoral der Unternehmen in Deutschland hat sich in den letzten vier Monaten stetig verbessert. 14,2 Prozent der Unternehmen zahlten im August 2016 die Rechnungen nicht oder verspätet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 85,8 Prozent der Firmen fristgerecht bezahlen. Dies ist nach Dezember 2015 (14,1 Prozent) der zweitbeste Wert der letzten 12 Monate.

Das durchschnittliche Zahlungsziel liegt in Deutschland bei 26 Tagen. Wie die aktuelle Auswertung von Bürgel und EOS zeigt, liegt der Zahlungsverzug der Rechnungen im August 2016 bei 17,7 Tagen und damit auf dem niedrigsten Stand seit Studienbeginn Anfang 2013. Die Gesamtzeit der Forderungen beträgt damit ungefähr 44 Tage.

Zum Vergleich: Im Januar 2013 wurden Rechnungen noch mit 38 Tagen Verspätung bezahlt, so dass Unternehmen knapp 5,5 Wochen länger auf ihr Geld warten mussten als ursprünglich einkalkuliert.

3. Regionale Analyse: Beste Zahlungsmoral in Sachsen

Bei der Analyse der Zahlungsmoral von Unternehmen gibt es innerhalb der Regionen zum Teil große Unterschiede. Das schlechteste Zahlungsverhalten zeigten im August 2016 Unternehmen aus dem Saarland. Hier lag die Quote von zu spät oder nicht bezahlten Rechnungen bei 19,5 Prozent. Ebenfalls hohe Werte gab es in Berlin (Spät-oder Nichtzahlerquote von 19,2 Prozent) und in Nordrhein-Westfalen (16,1 Prozent). In sechs weiteren Bundesländern lag der prozentuale Anteil von nicht oder zu spät beglichenen Rechnungen über dem Bundesdurchschnitt von 14,2 Prozent.

Die beste Zahlungsmoral haben Unternehmen in Sachsen, wo nur etwa 10 von 100 Firmen die Rechnungen verspätet oder gar nicht bezahlen (Spät- oder Nichtzahlerquote von 10,2 Prozent). Auch in Thüringen (10,7 Prozent), Bayern (12 Prozent), Schleswig-Holstein (12,7 Prozent), Sachsen-Anhalt (12,9 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (13 Prozent) und Brandenburg (13,6 Prozent) zahlen die Unternehmen besser als im bundesweiten Vergleich.


Die Spät- oder Nichtzahlerquote von 10,2 Prozent in Sachsen im August 2016 ist zugleich die beste Zahlungsmoral im 12-Monats- und Ländervergleich. Die schlechteste Zahlungsmoral meldete in den letzten 12 Monaten das Saarland im April 2016, als 21 Prozent der Firmen die Rechnungen nicht oder zu spät bezahlten.



4. Durchschnittliche Überfälligkeitstage: Berliner Unternehmen zahlen 24,3 Tage zu spät

Überfällige Rechnungen werden in Deutschland im August mit einem Verzug von rund 18 Tagen bezahlt, so dass die Gesamtzeit der Forderungen bei einem Zahlungsziel von 26 Tagen 44 Tage beträgt. In Berlin müssen Unternehmen am längsten auf die Bezahlung von Rechnungen warten. In der Hauptstadt zahlen Firmen im Schnitt mit einer Verspätung von 24,3 Tagen. In diesen Fällen müssen Unternehmen fast doppelt so lange auf ihr Geld warten als einkalkuliert. Damit werden sie unfreiwillig zur Bank ihrer Kunden. Mehr Überfälligkeitstage als im Bundesdurchschnitt leisten sich auch die Unternehmen in Brandenburg (21,5), Hamburg (20,8), Nordrhein-Westfalen (19,7), Mecklenburg-Vorpommern (18,3) und Bremen (18,1). Schneller kommen Unternehmen in Sachsen-Anhalt an ihr Geld. Unternehmen, die zu spät bezahlen, tun dies in Sachsen-Anhalt mit einem Verzug von 14,7 Tagen.


5. Zahlungsmoral nach Rechtsformen: AG und GmbH nutzen Lieferantenkredite aus

In Bezug auf die Rechtsformen zeigt sich, dass Geschäfte mit Freiberuflern am risikoärmsten sind. Nur 2,5 Prozent in dieser Gruppe zahlten ihre Rechnungen im August 2016 nicht oder verspätet. Auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Spät-oder Nichtzahlerquote von 4,9 Prozent), bei Einzelfirmen (5,7 Prozent) und Gewerbebetrieben (5,9 Prozent) ist die Zahlungsmoral sehr gut. Anders stellt sich die Situationen bei den Aktiengesellschaften und GmbHs dar. 27,4 Prozent der AGs und gut ein Viertel der GmbHs (25,2 Prozent) zahlen ihre Rechnungen nicht fristgemäß und nutzen damit den von ihren Kunden gewährten Lieferantenkredit noch über das Zahlungsziel hinaus aus. Eine ähnlich schlechte Zahlungsmoral liefert die Rechtsform Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Im August 2016 zahlte jede fünfte UG die Rechnungen verspätet oder gar nicht. Es gibt jedoch im Vergleich zu den AGs und GmbHs einen gravierenden Unterschied. In vielen Fällen fehlt den UGs die nötige Liquidität, so dass die Rechnungen nicht bezahlt werden können.

6. Zahlungsmoral nach Branchen: Wasserver- und Entsorger, Bergbau und die Logistik haben die schlechteste Zahlungsmoral

Innerhalb der Branchen zeigen sich zum Teil große Unterschiede hinsichtlich der Zahlungsmoral. Unternehmen, die Geschäfte mit Firmen aus der Wasserversorgung, dem Bergbau oder der Logistik machen, müssen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ihre Rechnungen zu spät oder gar nicht bezahlt werden. In diesen drei Branchen zeigt sich die schlechteste Zahlungsmoral. Bei den Wasserver- und Entsorgern zahlen 23,2 Prozent der Unternehmen nicht fristgerecht. Im Bergbau liegt die Quote der Unternehmen mit nicht oder zu spät gezahlten Rechnungen bei 20,2 Prozent und in der Logistik bei 19,2 Prozent. Geringe Zahlungsschwierigkeiten gibt es in der öffentlichen Verwaltung (Spät- bzw. Nichtzahlerquote liegt bei 5,4 Prozent) und in der Land- und Forstwirtschaft (6,2 Prozent). Die öffentliche Verwaltung zeichnet sich jedoch durch eine Besonderheit aus. Wenn die Rechnungen von Unternehmen aus dieser Branche bezahlt werden, dann mit dem längsten Zahlungsverzug von durchschnittlich 24,7 Tagen.


7. Eskalation in das Inkasso: Risiko eines Inkassofalles in Berlin am höchsten

Gegen 1,3 Prozent der Unternehmen, die ihre Rechnungen nicht fristgerecht bezahlt haben, läuft ein Inkassoverfahren. Das Risiko einer Eskalation in das Inkasso ist bei Berliner Unternehmen am höchsten – gegen 2,8 Prozent der Unternehmen in der Hauptstadt  mit überfälligen Forderungen läuft ein Inkassoverfahren. Auch in Hamburg ist der Wert im bundesweiten Vergleich hoch. In der Hansestadt läuft gegen jedes 50. Unternehmen mindestens ein Inkassoverfahren. Besser sieht es in Bayern aus. Hier haben ein Prozent der Firmen ein Inkassomerkmal.

8. Ursachen schlechter Zahlungsmoral

Auch wenn sich die Zahlungsmoral von Unternehmen auf einem hohen Niveau bewegt, darf nicht vergessen werden, dass 14 von 100 Unternehmen die Rechnungen nicht oder zu spät begleichen. Neben dem Ärger und dem zusätzlichen Zeitaufwand für die Unternehmen, deren Rechnungen nicht bezahlt werden, kann sich ein schleppendes Kundenzahlungsverhalten auch belastend auf die Liquiditätslage des eigenen Unternehmens auswirken. Da Liquiditätsengpässe zu den häufigsten Insolvenzursachen zählen, ist eine gute Zahlungsmoral der Kunden von hoher Bedeutung.

 

Das Zahlungsverhalten der Unternehmen hängt sowohl von der Zahlungsfähigkeit (zahlen können) als auch von der Zahlungsbereitschaft (zahlen wollen) ab.

Bei der Analyse der Zahlungsmoral ist es zunächst ohne Interesse, welcher der beiden Faktoren das Verhalten – sprich das Zahlen oder nicht Zahlen der Rechnungen - beeinflusst.

Die Gründe für das nicht oder verspätete Bezahlen von Rechnungen sind vielfältig. Seitens der Unternehmen, die ihre Rechnungen nicht fristgerecht bezahlen, werden am häufigsten folgende Ursachen genannt:

  • Momentaner Liquiditätsengpass
  • Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden
  • Mangelnde Professionalisierung bei der Rechnungsbearbeitung
  • Vorsätzliches Nichtbezahlen
  • Aktuelle Konjunktur
  • Verlängertes Ausnutzen von Lieferantenkrediten
  • Die eigene Insolvenz
  • Technische Gründe (z.B. neue IT-Systeme)
Herausgeber: Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Gasstraße 18, 22761 Hamburg, presse@buergel.de, www.buergel.de

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