Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland

Zahl der überschuldeten Privatpersonen steigt auf knapp 6,7 Millionen Bundesbürger.

Kernergebnisse

  • 6.672.183 Privatpersonen in Deutschland überschuldet (Stand 31.12.2012)
  • Vorjahresvergleich: 2,7 Prozent mehr Überschuldungsfälle in 2012
  • Absolut am meisten Überschuldete in Nordrhein-Westfalen: 1.636.075 Privatpersonen
  • Am wenigsten Überschuldete in Bremen: 70.910
  • Höchste Schuldnerquote in Berlin: 13,0 Prozent
  • Geringste Schuldnerquote in Bayern: 7,1 Prozent
  • Bundesdurchschnitt: 9,7 Prozent
  • Rückläufige Werte nur in zwei Ländern: Mecklenburg-Vorpommern (2,3 Prozent weniger überschuldete Bürger) und Hessen (minus 0,9 Prozent)
  • Stärkster regionaler Anstieg: Nordrhein-Westfalen (plus 4,1 Prozent)
  • 56,3 Prozent der überschuldeten Bundesbürger sind Männer
  • Vergleich Schuldnerquote: Männer (11,2 Prozent der Männer über 18 Jahre in Deutschland sind überschuldet); Frauen (8,3 Prozent)
  • Schuldnerquote der 21- bis 30-Jährigen: 17,7 Prozent mit Anstieg um plus 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr
  • 28,5 Prozent der überschuldeten Bundesbürger sind bis 30 Jahre alt
  • Schuldnerquote der 31- bis 40-Jährigen: 17,6 Prozent (Zum Vergleich: 10,8 Prozent bei den 18- bis 20-Jährigen)
  • Ab 51 Jahren sinkt die Schuldnerquote unter den Bundesdurchschnitt – allerdings mit steigenden Fallzahlen gegenüber dem Vorjahr

1. Überblick: Zahl der überschuldeten Privatpersonen nimmt um 2,7 Prozent zu
6.672.183 Privatpersonen gelten in Deutschland derzeit als überschuldet (Stand 31.12.2012). Im Vorjahresvergleich stieg die Zahl um 2,7 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie „Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland“, die die Wirtschaftsauskunftei Bürgel in dieser Form erstmalig durchgeführt hat.
Die drei wichtigsten Indikatoren von Überschuldung sind bei Privatpersonen erstens die Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, zweitens die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung selbst und drittens die Verbraucherinsolvenz. Weitere Negativmerkmale, die in die aktuelle Überschuldungsanalyse von Privatpersonen einfließen, sind Inkassoverfahren und Inkassoüberwachungsverfahren. Auffällig ist insbesondere die Situation der 21- bis 30-jährigen Bundesbürger. „Mit einer Schuldnerquote von 17,7 Prozent sind sie am stärksten von der Überschuldung betroffen – und das mit einer Zunahme um 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, kommentiert Bürgel Geschäftsführer Dr. Norbert Sellin die aktuellen Zahlen. Zusammen mit der Gruppe der 18- bis 20-Jährigen, bei denen statistisch knapp jeder zehnte Bundesbürger überschuldet ist, wird deutlich, dass 28,5 Prozent der überschuldeten Bundesbürger unter 31 Jahre alt sind.


 

Exkurs Verschuldung – Überschuldung
Verschuldung beschreibt generell das Vorhandensein von Schulden, nicht jedoch, ob Verbindlichkeiten der Verbraucher tatsächlich auch zurückgezahlt werden können. Demnach ist bereits ein Verbraucher, der sich Geld leiht oder einen Kredit aufnehmen muss, verschuldet.

Wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen
Für einen Großteil der Bevölkerung ist „Schuldenaufnahme“ bzw. „Verschuldung“ längst zur Normalität geworden, um Immobilien und Konsumgüter langfristig per Kredit zu finanzieren. Aber auch Nullprozent-Finanzierungen oder Kreditkartenkäufe im Rahmen des alltäglichen Konsums erhöhen die Ausgaben der Konsumenten. Das ist so lange unproblematisch, wie Verbraucher ihre Zahlungsverpflichtungen sowie die fälligen Ausgaben zur Sicherung des Lebensunterhalts bestreiten können. Falls das Einkommen nicht dazu ausreicht, Schulden fristgerecht über einen längeren Zeitraum zu tilgen (nach Abzug der Lebenshaltungskosten und trotz Reduzierung des Lebensstandards), gilt der Betroffene als überschuldet.

Indikatoren von Überschuldung
Die drei wichtigsten Negativmerkmale von Überschuldung sind bei Privatpersonen erstens die Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, zweitens die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung selbst und drittens die Verbraucherinsolvenz. Mit diesen Indikatoren kann ein wesentlicher Teil überschuldeter Konsumenten abgebildet werden. Weitere Negativmerkmale, die in die Überschuldungsanalyse von Privatpersonen einfließen, sind Inkassoverfahren und Inkassoüberwachungsverfahren.

Überschuldung hat laut der Studie folgende Ursachen: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung oder Scheidung, unwirtschaftliche Haushaltsführung, Unerfahrenheit beim Umgang mit Geld, ein nicht zum Einkommen passendes Konsumverhalten, gescheiterte Selbstständigkeit oder Immobilienfinanzierung sowie ein niedriges Einkommen. In vielen Fällen kumulieren verschiedene Auslöser miteinander und führen Verbraucher so in die Schuldenspirale.

Arbeitslosenquote beeinflusst Überschuldungssituation
Die Schulden von Privatpersonen, die sich auf die eigene Existenzgrundlage beziehen, nennt man Primärschulden. Darunter fallen u.a. Miet- und Energieschulden sowie Schulden bei Telefongesellschaften. Als Sekundärschulden werden die übrigen Schulden bezeichnet – etwa ein privates Darlehen oder eine Finanzierung. Bestimmte Sekundärschulden sind im Gegensatz zu den Primärschulden problematisch, wenn die Kosten für den Lebensunterhalt steigen: So setzen Nullprozent-Finanzierungen einen gefährlichen Konsumanreiz, indem sie die Ausgaben der Betroffenen erhöhen.

Privatpersonen haben vor allem Schulden bei Kreditinstituten, Versandhändlern, Versicherungen, Behörden, Vermietern, Energieversorgern und Telefongesellschaften. Aktuell führt die niedrige Arbeitslosigkeit in Deutschland allerdings dazu, dass nicht noch mehr Verbraucher in Deutschland überschuldet sind. Arbeitslosigkeit und die Beschäftigung in Niedriglohnsektoren gelten als Hauptgründe für Überschuldung, weil sie die Einnahmen von Verbrauchern drastisch reduzieren.

2. Regionale Verteilung: Höchste Schuldnerquote in Berlin
Die meisten überschuldeten Privatpersonen leben in Nordrhein-Westfalen. In dem bevölkerungsreichsten Bundesland gelten 1.636.075 Personen als überschuldet. Bei Betrachtung der absoluten Zahlen weisen auch Bayern (745.260 Überschuldete), Baden-Württemberg (676.880) und Niedersachsen (673.465) hohe Werte auf. Die geringsten Schuldnerzahlen verzeichnen hingegen die bevölkerungsärmeren Länder Bremen (70.910 Überschuldete) und das Saarland (95.120) – siehe Grafiken 1 und 2.Ein differenziertes Bild zeigt sich, wenn man die Schuldnerquote in die Analyse einbezieht – also den Anteil der Privatpersonen mit einem Negativmerkmal gemessen an der Bevölkerung ab 18 Jahren: Demnach existiert die höchste Schuldnerquote von 13,0 Prozent in Berlin. In der Hauptstadt sind 13.030 von 100.000 Erwachsenen überschuldet. Hohe Quoten melden auch Bremen (12,6 Prozent), Sachsen-Anhalt (12,0 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (11,6 Prozent) und Schleswig-Holstein (11,1 Prozent). Der Bundesdurchschnitt und die Schuldnerquote in Thüringen rangieren bei 9,7 Prozent. Am geringsten fallen die Werte in Bayern (7,1 Prozent) und Baden-Württemberg (7,6 Prozent) aus. Auch die Quoten in Sachsen (8,9 Prozent) und Hessen (9,6 Prozent) befinden sich unter dem Bundesdurchschnitt – siehe Grafik 3.

 

3. Bundesweite Veränderung: Nur in zwei Ländern rückläufige Zahlen
Im Bundesgebiet ist der zahlenmäßige Anstieg der Überschuldeten zum Stichtag regional unterschiedlich stark ausgeprägt. In zwei Bundesländern sinken die Fallzahlen sogar. So meldet Mecklenburg-Vorpommern gegenüber 2011 einen Rückgang um 2,3 Prozent und Hessen 0,9 Prozent weniger überschuldete Privatpersonen. In den übrigen Ländern steigen die Fallzahlen – allen voran Nordrhein-Westfalen mit plus 4,1 Prozent mehr überschuldeten Verbrauchern. Auch in Niedersachsen (plus 3,9 Prozent), Schleswig-Holstein (plus 3,1 Prozent) und Sachsen (plus 2,9 Prozent) steigt die Zahl der überschuldeten Privatpersonen stärker als im Bundesdurchschnitt – siehe Grafik 4.

 

4. Geschlechter: Männer am stärksten betroffen
Tendenziell überschulden sich eher Männer als Frauen. Demnach sind 56,3 Prozent der überschuldeten Bundesbürger Männer. Aber auch die Schuldnerquote macht deutlich, dass Männer eine größere Neigung zur Überschuldung aufweisen. Während die Schuldnerquote bei Männern bei 11,2 Prozent rangiert (das bedeutet: 11,2 Prozent der Männer über 18 Jahre in Deutschland sind überschuldet), liegt die Quote bei den Frauen bei einem Wert von 8,3 Prozent – siehe Grafik 5.

 

5. Alter: Junge Bundesbürger stark von Überschuldung betroffen
Am stärksten von Überschuldung betroffen ist die Altersgruppe der 21- bis 30-jährigen Bundesbürger. In dieser Gruppe fällt das Risiko am größten aus, in finanzielle Schieflage zu geraten. Die jungen Erwachsenen haben wenig Erfahrungen im Umgang mit Geld und oft keine Rücklagen bei finanziellen Engpässen. Zudem erhöhen Familiengründungen und Immobilienfinanzierungen die Ausgaben stark. Bei den 21- bis 30-Jährigen beträgt die Schuldnerquote 17,7 Prozent. Zudem verzeichnet diese Altersgruppe den stärksten Anstieg um plus 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zusammen mit der Gruppe der 18- bis 20-Jährigen wird deutlich, dass 28,5 Prozent der überschuldeten Bundesbürger bis zu 30 Jahre alt sind – siehe Grafiken 6 und 7.Aber auch bei den 31- bis 40-jährigen Bürgern ist die Schuldnerquote mit 17,6 Prozent hoch. Niedriger, wenn auch nicht moderat, fällt sie indes bei den 18- bis 20-Jährigen mit 10,8 Prozent aus. Demnach ist bereits jeder zehnte volljährige Bundesbürger bis 20 Jahre überschuldet. Allerdings sind die Zahlen bei dieser Altersgruppe gegenüber dem Vorjahr um minus 7,7 Prozent rückläufig. Laut Bürgel Statistik sinkt ab 51 Jahren das Überschuldungsrisiko. In den beiden Altersgruppen 51 bis 60 Jahre und ab 61 Jahren rangiert die Schuldnerquote unter dem Bundesdurchschnitt. Allerdings stiegen in diesen beiden Alterssegmenten die Fallzahlen der überschuldeten Privatpersonen an.

Herausgeber: Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Gasstraße 18, 22761 Hamburg, presse@buergel.de, www.buergel.de

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