Zahlungsausfallrisiko von Unternehmen

8,8 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit Zahlungsschwierigkeiten – Anteil von Unternehmen mit hohem Zahlungsausfallrisiko steigt um 2,3 Prozent.

8,8 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit Zahlungsschwierigkeiten – Anteil von Unternehmen mit hohem Zahlungsausfallrisiko steigt um 2,3 Prozent

1. Einleitung: 8,8 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit Zahlungsschwierigkeiten

Immer mehr Firmen in Deutschland haben finanzielle Probleme. Dies belegt eine aktuelle Studie der Wirtschaftsauskunftei Bürgel, in der 3.317.706 Unternehmen hinsichtlich ihrer Finanzlage analysiert worden sind. Die Anzahl insolvenzgefährdeter Unternehmen stieg demnach im November 2015, im Vergleich zum Februar dieses Jahres, um 2,3 Prozent. Insgesamt haben 292.750 (8,8 Prozent) der Unternehmen erhebliche Zahlungsschwierigkeiten und bergen das Risiko, eventuell eine Insolvenz anmelden zu müssen.
„Trotz der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen stieg die Zahl der Firmen mit einem hohen Zahlungsausfallrisiko“, sagt Bürgel Geschäftsführer Dr. Norbert Sellin zu der aktuellen Entwicklung. „Nicht alle diese Unternehmen sind akut von einer Insolvenz bedroht. Es ist denkbar, dass die Firmen auch erst in zwei oder drei Jahren vor der Pleite stehen oder sich wieder erholen. Die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls ist bei den Firmen jedoch deutlich höher als bei finanziell besser gestellten Unternehmen.“
Die aktuelle Wirtschaftslage ist nur ein Faktor, der den Erfolg oder den Misserfolg von Unternehmen beeinflusst. Daneben gibt es weitere unternehmensexogene und unternehmensendogene Ursachen für Unternehmenskrisen. Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen, technischer Wandel, Wechselkursänderungen im Außenhandel oder die Insolvenz eines wichtigen Geschäftspartners sind Beispiele für Einflüsse von außen, die ein Unternehmen auf die schiefe finanzielle Bahn lenken können. Unternehmensendogene Ursachen, wie zum Beispiel geringe Eigenkapitalbasis, Mängel im Produktbereich (Qualität, Preis, Produkteigenschaften), Führungsprobleme oder Managementfehler können in allen betrieblichen Funktionsbereichen begründet liegen.

2. Studienhintergrund: Milliardenschäden durch Zahlungsausfälle

Es gibt zahlreiche Studien zur Überschuldungssituation bei Verbrauchern. Vergleichbare Analysen zu Unternehmen sind kaum zu finden. Aber: Durch Insolvenzen und Zahlungsausfälle entstehen erhebliche gesamtwirtschaftliche Kosten. Die durch Insolvenzen entstandenen Schäden liegen jährlich im zweistelligen Milliardenbereich. Daher hat Bürgel über drei Millionen Unternehmen hinsichtlich ihrer Zahlungsfähigkeit untersucht. Im Jahr 2015 rechnet die Wirtschaftsauskunftei mit bis zu 23.700 Unternehmensinsolvenzen. Die Insolvenz ist dabei Ausgangspunkt für die Sanierung oder ggfs. die Liquidation des Betriebs. Zuvor befinden sich die betroffenen Unternehmen bereits in einer finanziellen Schieflage. Häufig können gerade höhere Rechnungen nicht mehr bezahlt werden, was zu dramatischen Folgen auch für andere Unternehmen führen kann. Die Insolvenz von Geschäftspartnern ist unter Umständen eine Gefahr für die Liquidität und damit für den Fortbestand des eigenen Betriebs. Schlittern Vertragspartner in die Zahlungsunfähigkeit, stellt das gerade mittelständische und kleine Unternehmen vor erhebliche finanzielle Probleme. Insbesondere die betroffenen KMU verfügen oft nicht über ausreichendes Eigenkapital, um das zögerliche Zahlungsverhalten ihrer Kunden zu kompensieren, denn: Erstens bedeuten Zahlungsverzögerungen oder -ausfälle bei Partnern zusätzliche Mehrarbeit und entsprechende Kosten für den eigenen Betrieb. Zweitens ist es in vielen Branchen üblich, dass ein Unternehmen mit seiner Arbeitsleistung und den Materialkosten in Vorleistung tritt. Die unter Zahlungsverzögerungen und -ausfällen leidenden Firmen fungieren damit als Kreditgeber. Sie tragen so auch das finanzielle Risiko. Dies führt in den Betrieben, vor allem, wenn Forderungsausfälle besonders hoch sind, zu eigenen finanziellen Engpässen und im schlimmsten Fall zur eigenen Insolvenz.

3. Studiendesign: Analyse der Finanzlage von Unternehmen

Der zentrale Indikator der Studie ist der Bonitätsindex der Unternehmen. Dieser Frühwarnindikator dient der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit und der Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen binnen der nächsten zwölf Monate. In der Studie hat Bürgel eine Vielzahl von Informationen zur Finanzlage der Unternehmen, die Aufschluss über die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens geben, ausgewertet. Dazu gehören u.a. Angaben in den Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Mitarbeiter- und Umsatzzahlen oder Zahlungserfahrungen. Außerdem fließen Informationen zu vorhandenen gerichtlichen Negativmerkmalen in die Analyse mit ein. Laut der aktuellen Bürgel Auswertung  haben im November 292.750 Firmen in Deutschland derzeit ein sehr hohes Zahlungsausfallrisiko (Stichtag: 25. November 2015). Anders ausgedrückt sind 8,8 Prozent der insgesamt über drei Millionen von Bürgel für die Studie auf Zahlungsfähigkeit untersuchten Unternehmen gefährdet, denn:  Die betroffenen Unternehmen verfügen über einen Bonitätsindex im Bereich zwischen  4,5 bis 6,0.

Das bedeutet, dass diese Firmen – von der Kapitalgesellschaft bis hin zum Einzelunternehmer – ihren Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nachkommen können. Allerdings bedeutet der statistische Wert nicht explizit, dass die betroffenen Unternehmen alle Insolvenz anmelden müssen. Er sagt lediglich aus, dass die Betroffenen über eine ausgeprägt schwache Bonität verfügen und damit besonders insolvenzgefährdet sind. Der Großteil (45,4 Prozent) der Unternehmen in Deutschland liegt allerdings in der Risikoklasse 2,0 bis 2,4 und weist damit aktuell ein unterdurchschnittliches Ausfallrisiko aus.

4. Bundesländer: 12,8 Prozent der Unternehmen in Sachsen-Anhalt droht die Zahlungsunfähigkeit

Laut der aktuellen Analyse bergen 292.750  Firmen in Deutschland derzeit ein sehr hohes Zahlungsausfallrisiko. Dies entspricht 8,8 Prozent der über drei Millionen ausgewerteten Firmen. Die Gefahr einer Pleite ist jedoch regional unterschiedlich ausgeprägt. Die höchste Insolvenzgefahr geht von Unternehmen in Sachsen-Anhalt aus. Aktuell sind 12,8 Prozent der Unternehmen dort in einer finanziellen Schieflage und somit von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit betroffen. Aber auch in Sachsen (12,1 Prozent), Berlin (11,0 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (10,6 Prozent), Nordrhein-Westfalen (9,8 Prozent), Thüringen (9,6 Prozent), Brandenburg  (9,5 Prozent), Bremen (9,2 Prozent) und Hamburg (9,0 Prozent) ist die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls seitens der Unternehmen höher als im Bundesdurchschnitt. Ein geringeres Risiko geht von Unternehmen in Bayern aus. Hier drohen 6,6 Prozent der Unternehmen mit ihren Zahlungen auszufallen.

5. Prozentuale Veränderungen: Entwicklung in den Bundesländern unterschiedlich ausgeprägt

In 14 Bundesländern hat sich die Zahl insolvenzgefährdeter Unternehmen erhöht. Den stärksten Anstieg gab es im November im Vergleich zum Februar im Saarland. Hier stieg die Anzahl der Firmen, die von einem Zahlungsausfall bedroht sind, um 6,7 Prozent. Es folgen Bremen (plus 4,4 Prozent), Sachsen (plus 4,0 Prozent), Rheinland-Pfalz (plus 3,5 Prozent), Baden-Württemberg (plus 3,4 Prozent) und Hamburg (plus 3,3 Prozent). In Mecklenburg-Vorpommern (minus 2,6 Prozent) und Thüringen (minus 0,9 Prozent) nimmt die Zahl der Unternehmen mit einer erhöhten Insolvenzwahrscheinlichkeit ab.

6. Großstadtranking: Chemnitzer Unternehmen mit dem höchsten Pleiterisiko

Auch eine Analyse der 30 größten Städte zeigt regionale Unterschiede hinsichtlich des  Zahlungsausfallrisikos von Unternehmen. Demnach haben Firmen in Chemnitz das höchste Insolvenzrisiko, 13,9 Prozent der Firmen sind von einer Zahlungsunfähigkeit bedroht. Es folgen mit Duisburg (13,0 Prozent der Firmen von Insolvenz bedroht) und Gelsenkirchen (12,9 Prozent) zwei Städte aus Nordrhein-Westfalen. Weniger Risiko bergen die Unternehmen in München (6,3 Prozent) und Stuttgart (6,7 Prozent).

7. Branchenanalyse: Unternehmen aus dem Gastgewerbe und der Logistik mit höchster Gefährdung

Je nach Branchenzugehörigkeit der untersuchten Unternehmen zeigen sich deutliche Unterschiede bei der Zahlungsfähigkeit. Am stärksten betroffen von möglichen Zahlungsausfällen sind Unternehmen aus dem Gastgewerbe (Insolvenzrisiko liegt bei 14,4 Prozent) und aus der Logistik (12,7 Prozent). Zudem haben Firmen aus dem Baugewerbe ein höheres Risiko, Insolvenz anmelden zu müssen. Der Anteil gefährdeter Unternehmen liegt hier bei 9,8 Prozent. Das geringste Risiko von Zahlungsausfällen haben Unternehmen aus dem Energiesektor. Lediglich 2,5 Prozent der Firmen sind von einem höheren Zahlungsausfallrisiko betroffen.

8. Rechtsformen: Hohe Zahlungsausfallwahrscheinlichkeit bei der Unternehmergesellschaft

13,5 Prozent der Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) droht eine Insolvenz. Damit nimmt die UG den schlechtesten Wert aller Rechtsformen an. Aber auch bei den Gewerbebetrieben (12,7 Prozent) und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (10,9 Prozent) liegt der Anteil insolvenzgefährdeter Unternehmen über dem Durchschnitt. Ein geringes Insolvenzrisiko bergen Aktiengesellschaften. Nur 3,9 Prozent aller AGs sind von einer Pleite bedroht.

9. Anzeichen einer drohenden Insolvenz

Es gibt in der Praxis typische Verhaltensmuster, die frühzeitig auf eine prekäre Situation von Unternehmen hinweisen: etwa wenn eine schlechtere Zahlungsmoral, ein verändertes Bestellverhalten oder eine häufige Änderung in der Geschäftsführung, Bankverbindung oder Firmierung auftreten. Indikatoren sind aber auch, wenn Zahlungen durch ungerechtfertigte Mängelrügen hinausgezögert, mündliche Zusagen gebrochen oder häufig Rechnungskopien angefordert werden.  Zudem leisten sich die betroffenen Unternehmen keine Neuanschaffungen mehr und nutzen veraltete Produktionsanlagen. Hinweise auf eine finanzielle Schieflage liefert auch der Verbrauch von Eigenkapital über Jahre hinweg oder die mehrfache Erhöhung der Kreditlinie (Fremdkapitaleinsatz).

Herausgeber: Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, Gasstraße 18, 22761 Hamburg, presse@buergel.de, www.buergel.de

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