Warum der Handel eine Strategie für Open Banking braucht

Zahlungsverkehrsdaten, also die Bewegungen auf den Girokonten von Kundinnen und Kunden, stellen einen Fundus an Informationen und Daten zur Verfügung. Die gute Nachricht für Händler: Diesen Datenschatz können sie für sich dank Open Banking nutzen. Das eröffnet bei der Betrugsprävention und im Marketing neue Möglichkeiten.

Google gehört weltweit zu den Top-Unternehmen, die stets vorne dabei sind, wenn es um die Erschließung von lukrativen Daten geht. Für Aufsehen sorgt deshalb der Schritt, sich von der Rolle eines reinen Zahlungsabwicklers zu verabschieden. Mit Google Pay bietet der Konzern seit einigen Jahren ein mobiles Payment-Verfahren an. Doch nun will das Unternehmen mehr: In den USA führt Google mit Citiplex sein erstes Girokonto ein, das nahtlos in seinem Bezahldienst integriert sein wird. Erster Bankpartner ist die Citigroup, denn den eigentlichen Zahlungsverkehr will Google nicht abwickeln. Wie immer geht es dem Unternehmen in erster Linie um Daten.

Mit PSD2 und Open Banking verloren Banken die Datenhoheit

Wer auf die Transaktionsdaten eines Girokontos zugreifen darf, weiß viel über den Kontoinhaber. Mit welchen regelmäßigen Einnahmen kann er rechnen, mit welchen Versorgern (Wasser, Strom, Internet) besitzt er Verträge, welche Versicherungen buchen von seinem Konto ab? Die Daten beantworten letztlich die Frage, wofür er sein Geld ausgibt?

Im Jahr 2015 wurde von den Gremien der EU die überarbeitete Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) verabschiedet. Mit weitreichenden Folgen: Denn bis dahin waren ausschließlich die Kreditinstitute in der Lage, auf die Kontodaten zuzugreifen und diese zu nutzen.

Was die Banken auch in ihrem Kerngeschäft durchaus taten. Sammelten sich höhere Beträge auf einem Girokonto, wurde der Kunde aktiv auf lukrativere Anlageformen angesprochen. Und tauchten Abbuchungen zu Ratenkrediten bei anderen Banken auf, bot das Anlass für ein Gespräch über Kreditbedingungen und Umschuldungen. Ein wesentliches Element der PSD2 besteht in der Verpflichtung der Kreditinstitute, die Kontodaten über Schnittstellen auch Dritten zur Verfügung zu stellen. Anders als es einige irreführende Meldungen in der Publikumspresse darstellten, stets mit der Zustimmung der Kontoinhaber.

Durch die Schaffung von definierten Schnittstellen sollte Start-ups aus der Finanzwirtschaft, den Fintechs, die Möglichkeit eingeräumt werden, die Kontodaten zu nutzen. Die Grundidee des “Open Banking” war geboren.

Dies hat in Konsequenz zu zwei grundlegenden Typen von Dienstleistern geführt:

  • Kontoinformationsdienste (Account Information Service Providers) erhalten das Recht, auf die Konten des Kunden zuzugreifen, um ihm Informationen aus verschiedenen Quellen zur Verfügung zu stellen.
  • Zahlungsauslösedienste (Payment Initiation Services Providers) sind dagegen berechtigt, elektronische Zahlungsvorgänge für den Kunden auszulösen.


Open Banking ist rechtlich kein Wildwuchs. Je nach gewünschter Befugnis müssen sich die Dienstleister entweder bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Erlaubnis einholen oder dort zumindest offiziell registriert sein.

Betrugsprävention und Marketing: Open Banking schafft neue Möglichkeiten im E-Commerce

Die Schaffung von Kontenschnittstellen eröffnet dem Handel neue Optionen. Das betrifft den stationären wie den digitalen Handel gleichermaßen. Völlig unabhängig davon, ob die Händler an dieser Stelle mit Dritten zusammenarbeiten oder Lösungen in Eigenregie schaffen wollen.

  • Identitätsnachweis: Online-Händler wissen um die Problematik des Identitätsdiebstahls. Sie müssen das Risiko steuern, dass die Person, die bei ihnen Waren bestellt, vorgibt, jemand anderes zu sein. Im Rahmen einer Kontoeröffnung sind Banken verpflichtet, die Identität eines Kunden zu verifizieren. Über eine Schnittstelle kann dieses Wissen genutzt werden.
  • Kontendeckung: Allen Bemühungen von Handel und Banken zum Trotz bevorzugen die Kunden in Deutschland beim Online-Shopping die Verfahren, die aus Sicht des Händlers das höchste Risiko darstellen: Rechnungskauf und Lastschrift. Über eine einfache Abfrage der Kontendaten lässt sich ermitteln, ob das Konto überhaupt eine entsprechende Deckung aufweist. Ein wichtiger Hebel, um das Risiko des Zahlungsausfalls zu minimieren.
  • Prognose des Zahlungsverhaltens: Eine detailliertere Analyse der Zahlungsverkehrsdaten erlaubt auch eine genauere Vorhersage des Zahlungsverhaltens des Kunden und seiner Bonität. So sind Kunden anders einzuschätzen, auf deren Konto bereits zahlreiche Abbuchungen und Überweisungen zu Ratenzahlungen vorhanden sind, als solche, deren Konto keine solche Transaktionen aufweist.


Der Vollständigkeit halber muss in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden, dass die PSD2 auch die Forderung nach einer starken Kundenauthentifizierung bei der Zahlungsabwicklung umfasst. Dies merken die Kunden inzwischen in ihrem Alltag. Bisher genügte es beim Online-Shopping im Rahmen einer Kreditkartenzahlung die Kartennummer, Gültigkeit und Prüfziffer einzutragen. Jetzt häufig die Eingabe einer TAN, die beispielsweise auf dem Smartphone erscheint, Pflicht. Das schafft zusätzliche Sicherheit beim Bezahlen im Shop.

Neben diesen Möglichkeiten, die das Betrugsrisiko wirksam senken, eröffnet der Kontenzugriff Handlungsspielräume bei der Kundenbindung oder der Reaktivierung von Kunden. Über die Kontodaten können Händler loyale Konsumenten identifizieren, auch wenn diese nicht an einem Kundenbindungsprogramm teilnehmen. So bestellt der Kontoinhaber vielleicht nur gelegentlich seine Lebensmittel online, zahlt aber regelmäßig nennenswerte Beträge direkt am POS. Die Buchungsdaten bieten die Möglichkeit, ihm Rabatte und Vergünstigungen anzubieten, ohne zwangsläufig auf die Dienste Dritte zugreifen zu müssen. Umgekehrt kann die Analyse auch zeigen, dass der Kunde verstärkt die Angebote des Wettbewerbs nutzt. Ideal also, diesen erneut aktiv anzusprechen.

Open Banking bietet gerade im E-Commerce, aber nicht nur dort, mehr Spielräume und Optionen bei der Betrugsprävention und kann zugleich sinnvoll im Marketing genutzt werden. Wenn das Thema denn auch strategisch angegangen wird.

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